Rede von Andreas Schwarz MdL (Vorsitzender der Landtagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in BW) zu den Beratungen des Doppelhaushalts 2023/2024:
Die Haushaltsberatungen sind das Hochamt des Parlaments. Und noch nie haben wir einen Haushalt beraten, der in einem solchen Maße davon gekennzeichnet ist, dass wir nicht wissen, was noch auf uns zukommt.
Zwischen der Haushaltseinbringung durch Finanzminister Bayaz und der heutigen Debatte lag die Herbst-Steuerschätzung, die einige Grundparameter für den Haushalt noch einmal deutlich verändert hat. Stärker als in vergangenen Jahren ist es deswegen unsere Rolle als Fraktionen, hier nachzuschärfen. Dass dieser Haushalt ein „work in progress“ ist, liegt nicht an ihm – sondern an den Herausforderungen, die unsere Zeit mit sich bringt. Und darauf müssen und darauf werden wir reagieren! Deswegen werden wir im Dezember einen Haushalt verabschieden, der Baden-Württemberg bestmöglich auf die nächsten beiden Jahre vorbereitet.
Bundespräsident Steinmeier hat von einer „Zeit des Gegenwinds“ gesprochen, die uns bevorsteht. Und die Unternehmen Baden-Württembergs sehen einen Sturm heraufziehen, in dem unsere Wirtschaft bestehen muss. Beides zusammen umreißt gut die Herausforderungen unserer Zeit.
Unsere Aufgabe ist es, Baden-Württemberg gut durch das Tiefdruckgebiet der Krise zu lenken.
Die Menschen in Baden-Württemberg erwarten von uns, dass wir Antworten auf die Herausforderungen unserer Zeit finden.
Im Koalitionsvertrag dieser Koalition haben wir uns auf ein Leitbild verständigt, an dem wir unsere Politik ausrichten. Unser gemeinsames Ziel ist es, dass Baden-Württemberg ein starkes Land bleibt. Das heißt, dass wir jetzt die richtigen Weichen stellen und den Blick fest auf die Zukunft richten. „Jetzt für morgen“ – das ist und bleibt unser Leitbild!
Denn die Entscheidungen, die wir in diesem Haushalt treffen, haben Auswirkungen bis in die 2030er Jahre. Und deswegen investieren wir mit diesem Haushalt
- in den Klimaschutz,
- in Digitalisierung und Innovation
- in Bildung
- und in den gesellschaftlichen Zusammenhalt!
Damit sorgen wir dafür, dass Baden-Württemberg ein starkes Land bleibt, das in der Krise zusammensteht und gemeinsam anpackt!
Bei uns im Land haben wir den Haushalt wetterfest gemacht. Wir sorgen vor. Und dazu gehört insbesondere unser Risikopuffer, um flexibel auf Krisen reagieren zu können. Denn wir wissen, dass wir möglicherweise schnell handeln werden müssen – aber noch nicht, wo und wie genau! Dafür braucht es einen Puffer für Entlastungsmaßnahmen! Zugleich kommt es gerade jetzt darauf an, im Haushalt Prioritäten zu setzen. Zusammenhalt, Bildung, Innovation und Klimaschutz – das sind die richtigen Prioritäten!
Zusammenarbeit bei Bund und Land
Bund und Länder sind in ihrem politischen Agieren eng miteinander verflochten. Deswegen ist es richtig, dass wir als Land große Teile des Entlastungspakets mitfinanzieren. Wir haben laut der aktuellen Steuerschätzung inflationsbedingt deutliche Mehreinnahmen. Genau diese Mehreinnahmen geben wir direkt an unsere Bürgerinnen und Bürger weiter, indem wir sie für die Ko-Finanzierung des Entlastungspakets nutzen. Um es nochmals auf den Punkt zu bringen: Die Steuermehreinnahmen geben wir an die Bürgerinnen und Bürger zurück! Das ist ein großer Beitrag Baden-Württembergs zur Entlastung der Menschen im Land.
Konkrete Maßnahmen im Haushalt
Bürgerinnen und Bürger genauso wie die Wirtschaft erwarten von uns Antworten – und wir geben sie.
Deswegen werden wir im Haushalt nachschärfen.
- Erstens stellen wir ein Hilfspaket für die soziale Infrastruktur auf die Beine. Und ich möchte mich an dieser Stelle bei Minister Lucha bedanken, der in diesen Krisen Tag für Tag dafür arbeitet, das Land zusammenzuhalten!
Unser Hilfspaket umfasst viele Einzelmaßnahmen – beispielsweise, um soziale Einrichtungen wie die Tafeln gut durch den Winter zu bringen. Wir stärken Hilfen für Familien in schwierigen Situationen – etwa bei Überschuldung oder Wohnungslosigkeit. Wir stärken das Ehrenamt. Und wir leisten unseren Beitrag, um Kinderarmut zu bekämpfen.
- Wir treffen zweitens Vorsorge für ein Sicherheitsnetz für die Wirtschaft. Wir legen Gelder zurück und haben so ein Netz zur Hand, das wir aufspannen können, um dem Handwerk und dem Mittelstand zu helfen, falls diese durch das Raster des Bundes fallen.
So sind wir gewappnet, um zielgerichtet kleinere und mittlere Unternehmen, Sozialeinrichtungen, Handwerkerinnen und Handwerker oder Bürgerinnen und Bürger unterstützen zu können, wenn sie in Not kommen.
- Und wir finanzieren drittens die Entlastungspakete des Bundes mit – dazu nutzen wir insbesondere die zusätzlichen Steuermehreinnahmen. Dazu gehören unter anderem die Entlastung von kleinen und mittleren Einkommen, der Abbau der kalten Progression, die vorgezogene Gaspreisbremse, die Ausweitung des Wohngelds und das deutschlandweite 49-Euro-Ticket als Klimaschutzticket.
Chancengleichheit für Kinder
Wir werden an entscheidenden Punkten noch einmal etwas drauflegen.
Konkret:
- Wir stellen kräftig zusätzliche Lehrerinnen und Lehrer ein. Damit verbessern wir nachdrücklich die Unterrichtsversorgung im ganzen Land.
- Zudem finanzieren wir weitere pädagogische Assistentinnen und Assistenten.
- Und wir verbessern die Qualität des Unterrichts, in dem wir in multiprofessionelle Teams einsteigen.
Das heißt, dass neben den Lehrkräften weitere Expertinnen und Experten wie beispielsweise Psychologinnen oder Logopäden an den Schulen tätig sind.
Damit denken wir Bildung ganzheitlich – und entlasten Lehrerinnen und Lehrer!
Zudem ist es uns gelungen, bei einem Kernanliegen meiner Fraktion einen Durchbruch zu erzielen: ab sofort bezahlen wir befristet angestellte Lehrerinnen und Lehrer auch in den Sommerferien. Das war ein überfälliger Schritt. Umso mehr freut es mich, dass wir diesen Schritt jetzt zusammen mit unserem Koalitionspartner gegangen sind. So tragen wir dazu bei, dass der Lehrerberuf in Baden-Württemberg attraktiv bleibt!
Gemeinsam mit Kultusministerin Schopper ermöglichen wir es mit diesen Maßnahmen, dass unsere Schulen echte Chancengeber bleiben! Denn das sind sie heute! Und mein Respekt gilt den Lehrerinnen und Lehrern und all den anderen Menschen, die Tag für Tag an dem Versprechen arbeiten, dass jedes Kind alle Chancen bekommt! Dieses Engagement sehen wir und das honorieren wir!
Digitalisierung und Innovation
Das Cybervalley hat gezeigt, wie hervorragende Forschung zum Nukleus eines Ökosystems werden kann. Das Geheimnis dieser Erfindung heißt Zusammenarbeit. Universitäten und Forschungsinstitute ermöglichen gemeinsam mit großen Unternehmen exzellente Forschung. So entwickelt der Innovationscampus internationale Strahlkraft.
Gleichzeitig bleibt die Anwendung, der Transfer neuer Erkenntnisse in Wirtschaft und Gesellschaft immer oben auf der Agenda. Rund um den exzellenten Kern entsteht so ein Ökosystem, das Chancen für neue Geschäftsmodelle bietet. In diesem Haushalt setzen wir den Rahmen, damit die Pionierarbeit des Cybervalleys fortgeführt werden kann. Wir entwickeln die beiden neuen und jetzt schon erfolgreichen Innovationscampusvorhaben „Lebenswissenschaften“ und „Mobilität“ weiter. Das sind zwei ganz zentrale Zukunftsthemen für unser Land!
Innovation steht im Kern unserer Wirtschafts- und Industriepolitik. Zu den Weichen, die wir jetzt für 2030 stellen, gehört aber noch mehr.
Ich sehr dafür, dass unsere Wirtschaft sich diversifiziert. Egal, ob es um Rohstoffe, um Energieträger oder um Absatzmärkte geht: wir dürfen den Fehler nicht wiederholen, uns abhängig zu machen. Und ich denke da nicht nur an Russland, sondern auch an China. Deswegen setzen wir darauf, neue Handelspartner zu finden. Wir setzen auf Freiheitsenergien und auf Kreislaufwirtschaft. Und wir werben aktiv darum, dass sich Zukunftsunternehmen in Baden-Württemberg ansiedeln. Dazu braucht es beste Bedingungen. Das beginnt bei der Infrastruktur. Ganz vorne steht eine moderne Verkehrsinfrastruktur. Und dazu gehören qualifizierte und kreative Fachleute. Dazu gehört die soziale Infrastruktur von der Kinderbetreuung bis zur Kultur. Und dazu gehört am Standort verfügbare Energie! So gelingt es uns, dass Baden-Württemberg ein starkes, innovatives und zukunftstaugliches Industrieland bleibt!
Die Klimakrise ist da
Über Zukunft zu sprechen, heißt, über die Klimakrise zu sprechen. Denn der menschengemachte Klimawandel ist längst da. Spätestens in diesem Sommer ist deutlich geworden, dass wir in unserem schönen Baden-Württemberg längst die Folgen der Klimakrise spüren.
Unwetter häufen sich; Regen kommt als Starkregen herunter, der von der ausgetrockneten Erde nicht aufgenommen werden kann. Das haben wir letztes Jahr im Ahrtal gesehen. In den Alpen schmelzen die Gletscher. Waldbrände gehören längst auch in Europa zur scheinbaren Normalität.
Die Klimakrise wartet nicht. Sie ist längst da. Umso wichtiger ist es, Tag für Tag daran zu arbeiten, dass Baden-Württemberg klimaneutral wird. Zudem geht es jetzt darum, uns auf verstärkt auftretende Unwetter und andere Klimafolgen vorzubereiten.
Hier sind alle gefragt – der Staat, die Wirtschaft, alle Bürgerinnen und Bürger. Nur gemeinsam wird es uns gelingen, auf den 1,5-Grad-Pfad zu kommen und die Klimakrise einzugrenzen.
Dazu haben wir ein Maßnahmenpaket Klimaschutz im Haushalt verankert:
- Bisher sind noch nicht alle Landesliegenschaften vorbildlich, wenn es um Energieeffizienz und Photovoltaik geht. Das packen wir jetzt an und sorgen dafür, dass das Land zum Vorbild für Solarenergie vom Dach wird!
- Wir richten eine Landesagentur Wind ein und wir beschleunigen die Genehmigungsverfahren für Windkraft und Photovoltaik auf dem Land erheblich!
- Wir treiben die Wärmewende voran.
- Und auch für den Ausbau der Radschnellwege, für die Elektromobilität und für die Verkehrswende nehmen wir in diesem Haushalt Geld in die Hand.
Das sind unsere Antworten auf die Klimakrise. Und das sind unsere Antworten, um schnellstmöglich aus der fossilen Abhängigkeit zu kommen!
Mir und meiner Fraktion ist es wichtig, dass Baden-Württemberg bestmöglich vorbereitet ist. Deswegen sorgen wir vor. Ein erheblicher Teil unserer Haushaltsmittel fließt in die Ko-Finanzierung der Entlastungsmaßnahmen des Bundes. Wir geben die Steuermehreinnahmen an die Bürgerinnen und Bürger zurück.
Und wir spannen als Land den Rettungsschirm auf. Wir lassen niemand in Stich!
Foto (c) GRÜNE Landtagsfraktion