Plenarrede von Michael Joukov MdL:
Wenn Sie in der Sommerpause noch ein Ausflugsziel suchen, empfehle ich eine Radtour entlang der Ablachtalbahn, auch Biberbahn genannt. Sie können an einem halben Tag die schönen Landschaften Badens, Württembergs und Hohenzollerns ausgiebig genießen. Sie sehen mit Zoznegg auch den jüngsten reaktivierten Haltepunkt im Ländle – auch dank des tollen Einsatzes der Kollegin Bogner-Unden und des Kollegen Nüssle. So weit, so schön. Jetzt das ABER: wenn Sie dann mit dem Zug von Radolfzell zurückkehren und in Mengen ankommen, und auf die Donaubahn, immerhin eine Hauptbahn, umsteigen wollen, werden die dortigen Züge noch von einem rein mechanischen Stellwerk gesichert. Inbetriebnahme 1961, Bauart EinheitsMw. Also ganz klassisch mit Hebeln, die man mit Körperkraft bewegt, wie man es aus der Eisenbahnromantik kennt, und offen gesagt, hoffnungslos veraltet.
Nun ist Eisenbahnromantik ein tolles Hobby. Eisenbahnromantik ist aber nicht geeignet, das Schienennetz der Zukunft zu gestalten. Und Eisenbahnromantik ist nicht geeignet, die zusätzlichen Personen- und Güterverkehre auf der Schiene abzuwickeln, die wir unter anderem aus Klimaschutzgründen von der Straße locken wollen.
Mechanische Stallwerke
Mechanische Stellwerke gehören anno 2024 eindeutig ins Museum. Aber weit gefehlt – derzeit sind rund 600 davon bundesweit im Regelbetrieb, davon 32 in Baden-Württemberg. Nach wie vor werden junge Menschen zur Arbeit am mechanischen Stellwerk neu ausgebildet. Beim letzten Tag der Schiene in Ulm konnte ich es selbst erleben. Bei der Ausbildung ist die digitale Technik schon angekommen, die Ausbildung an den mechanischen Hebeln läuft mittels einer 3D-Brille. Immerhin: dafür haben die Mittel gereicht. Sonst fehlte es jahrelang an Geld und auch an Leuten, mehrere Abnahmen moderner Stellwerke verzögern sich immer wieder wegen Personalmangel. Die Ampel hat die Weichen neu gestellt, auch wenn ich mir mehr Geld für die Bahn wünschen würde – endlich ist die Finanzierung zumindest anständig. Das muss man so sagen, und ich sage es sehr gerne.
Digitalisierung
Digitale Sicherung, ergänzt um das Automatic Train Operations Modul, erlaubt es, die Züge komplett ferngesteuert zu fahren. Das ist ein wichtiger Punkt, denn die Arbeitsbelastung als Triebfahrzeugführer*in ist hoch, und die Möglichkeit, auf Teilen der Strecke zu entspannen, würde auch den Krankenstand verringern. Im Güterverkehr senkt die DAK (digitale automatische Kupplung) die Kosten drastisch und macht auch Einzelwagenverkehr wirtschaftlich konkurrenzfähig, was auch gut ist für Klima und Umwelt. Bisher gibt es hier aber genau einen Versuchszug (AC4EU) mit ganzen bis zu 24 Waggons.
Meine Damen und Herren, der Zustand ist symbolisch für vieles, was in den letzten Jahren versäumt und ausgesessen wurde. So kann es nicht weiter gehen. Genau deswegen hat die GRÜN-geführte Landesregierung noch in der vergangenen Legislatur gehandelt und zusammen mit der Stadt und Region Stuttgart sowie der DB AG das Projekt „Digitaler Knoten Stuttgart“ auf den Weg gebracht.
Schienenknoten Stuttgart
Ich fasse es mit den Worten der Deutschen Bahn AG zusammen:
Würde die aktuelle Chance zur Umsetzung von ETCS im Schienenknoten Stuttgart nicht genutzt, ist auf Jahrzehnte eine Erneuerung nicht mehr zu erwarten und damit wären auch die durch die Nachfragesteigerungen anstehenden Herausforderungen im Schienenverkehr auf absehbare Zeit voraussichtlich nicht zu bewältigen.
Meine Damen und Herren, der enorme Rückstand, was die Digitalisierung der Schiene angeht, muss angegangen werden. JETZT. Am digitalen Knoten Stuttgart entscheidet sich die Zukunftsfähigkeit des deutschen Schienennetzes.
Mehr digitale Schiene
Das Schienennetz als Ganzes braucht eine langfristige Finanzierung. Damit sie ermöglicht wird, müssen Bund und Länder, Regierung und Opposition, an einem Strang ziehen, damit ein realistisches Paket angegangen werden kann. Ich habe vernommen, dass auch Herrn Merz nach lauter Flügen der Zustand der DB auffiel – recht so! Digitalisierung ist einer der Ansätze für Besserung. Ich stelle somit die Gretchenfrage an alle nachfolgenden Rednerinnen und Redner: wie hältst Du es mit der digitalen Schiene? Wir GRÜNEN stehen dazu, und der zuständige Minister wird dazu sicherlich noch mehr sagen. Auf Statements aus den anderen Fraktionen bin ich gespannt.
Die gesamte Rede von Michael Joukov MdL finden Sie hier: 240718_Joukov_digitale Schiene.pdf (pdf | 132 KB)