Digitalisierung und Internet in stationären Einrichtungen der Altenhilfe − Drucksache 17/5429
1. Über welche digitale Grundversorgung stationäre Einrichtungen der Altenhilfe verfügen sollen, mit Betrachtung der unterschiedlichen Räumlichkeiten (Einzelzimmer und Gemeinschaftsräumen) und wie die digitale Vernetzung von Bewohnerinnen und Bewohnern gewährleistet werden kann;
Die Digitalisierung ist in der Zwischenzeit weder aus dem beruflichen noch aus dem privaten Umfeld, das für die Bewohnerinnen und Bewohner die Pflegeeinrichtung darstellt, wegzudenken. Die Pflegeeinrichtungen sind gut beraten, wenn sie sich auf den Weg der Digitalisierung begeben, um auf diese Weise ihre Arbeitsprozesse zu optimieren (z. B. sprachgestützte Dokumentation) und um ihren Bewohnerinnen und Bewohnern Selbstbestimmung und Teilhabe, z. B. durch die Möglichkeit der privaten Internetnutzung, zu ermöglichen. Bei den Anforderungen an die digitale Grundversorgung müssen daher zwei Zielgruppen betrachtet werden: Zum einen die Digitalisierung der pflegerischen Versorgungsprozesse, also die Arbeitswelt des Pflegepersonals, sowie zum anderen die Lebenswelt der Bewohnerinnen und Bewohner für die Bereiche Kommunikation, Aktivierung und Inklusion. Für beide Bereiche ist eine stabile und gut verfügbare Breitbandanbindung und damit der Zugang zum Internet Grundvoraussetzung. Eine Verteilung/Abdeckung kann kabellos per WLAN erfolgen. Für eine Flexibilität, um ggf. spätere Anpassungsmöglichkeiten leicht (mit überschaubarem Aufwand) handhaben zu können, ist die Verfügbarkeit und Verteilung via Netzwerkkabel (an die entsprechenden WLAN „Antennen“) sehr zu empfehlen. Somit kann in Zukunft auch auf neue Anforderungen entsprechend reagiert werden. Mitzudenken sind bei Neu- oder Umbauten auch Räumlichkeiten für die IT mit entsprechender Ausstattung, was beispielsweise Zugangskontrolle und Klimatisierung betrifft.
Neben den Räumlichkeiten für die IT-Basisinfrastruktur müssen auch beispielsweise für den Bereich der (Video-)Kommunikation die Elemente von Akustik und Verschattung mitgedacht werden, damit Kommunikation (egal ob Televisite oder das Gespräch mit Angehörigen) in entsprechender Qualität, z. B. blendfrei und geräuschfrei, erfolgen kann. Dies kann u. a. auch einen separaten Raum erfordern, sofern es die Mobilität der Bewohnerinnen und Bewohner zulässt.
Technisch gesehen ergeben sich für diese zwei grundsätzlich verschiedenen Aufgaben der WLAN/LAN-Netzwerke verschiedene Lösungsansätze. Man kann durch eine „einfachere“ Installation über ein Netzwerk beide Funktionsbereiche abdecken, jedoch muss hier hinsichtlich Datensicherheit und IT-Management/-Wartung/-Pflege mit einem kontinuierlich höheren Aufwand kalkuliert werden. Eine andere Möglichkeit ist auch, beide Netzwerke komplett voneinander zu trennen und parallel zu betreiben. Das erhöht den initialen Installationsaufwand, erleichtert aber den Betrieb im Nachgang, da die beiden Netzwerke individuell an die aktuellen (gesetzlichen) Anforderungen der Aufgaben angepasst werden können und datenschutztechnisch physisch voneinander getrennt sind. In beiden Fällen ist allerdings eine tiefgehende Analyse (Bau, Bedarf, Anforderungen) mit einem IT-Dienstleister vor Ort notwendig. Zu erwähnen sind die erhöhten Anforderungen an das Personal, was bei Einführung und Problemen mit dem Betrieb von digitalen Techniken, in Arbeits- als auch Lebenswelt bedacht werden muss.
Davon unabhängig ist die Frage der Finanzierung dieser Grundversorgung zu sehen. Während die Digitalisierung des beruflichen und auch pflegerischen Kontexts über die Pflegesätze zu finanzieren ist, ist die private Nutzung durch die Bewohnerinnen und Bewohner, wie etwa im Falle eines Festnetztelefons, von ihnen direkt zu tragen.
Aus Sicht der Landesregierung sollten über die IT-Basisinfrastruktur hinaus die Einrichtungen über folgende Anwendungsmöglichkeiten der Digitalisierung verfügen:
Pflegeeinrichtung allgemein:
• Moderne branchenspezifische Softwarelösungen (Pflegedokumentation, Schichtplanung usw.),
• zeitnaher Anschluss an die Telematikinfrastruktur,
• Einsatz mobiler Endgeräte zur (sprachgestützten) Pflegedokumentation am Point-of-Care,
• Nutzung moderner Therapiemöglichkeiten mit VR (Virtual Reality) oder anderen modernen Interaktionsmöglichkeiten (Touch-Tische etc.),
• smarte Steuerung von Elementen wie Heizung, Rollläden (Hitze-/Kälteschutz),
• digitale Systeme zur Durchführung von Televisiten.
Zimmer der Bewohnerinnen und Bewohner:
• Nutzung zielgruppengerechter Endgeräte zur digitalen Teilhabe,
• Sensorik zur Aktivitätsmessung,
• Erkennung von Stürzen,
• Lichtsensorik zur Sturzprävention,
• Sensorik in Inkontinenzmaterialien, • digitale Pflegebetten, z. B. zur Erhebung von Vitaldaten,
• Trinkmanagement mit „smarten“ Trinkbechern.
Gemeinschaftsräume:
• Herdabschaltung,
• digitale Angebote zur Aktivierung.
In weiteren Zukunftsszenarien kann auch Robotik (von Logistiklösungen über Aktivierung bis zur Handlaufreinigung) mitgedacht werden.
Die digitale Vernetzung von Bewohnerinnen und Bewohnern kann durch den Einbezug von Digitallotsen, welche die Akzeptanz und den Umgang mit digitaler Technik fördern und so Disparitäten begegnen können, gut gelingen. Das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration hat in diesem Kontext u. a. das Projekt „Digilog – digitaler Dialog“ gefördert, das zum 31.07.2023 abgeschlossen wurde. Ziel des Projekts war es, das Recht auf Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Pflegebedarf zu stärken und eine Partizipation der digitalen Entwicklungen zu ermöglichen. Dabei sollten nachhaltige Digitallotsenstrukturen aufgebaut werden. Der Abschlussbericht wird derzeit erstellt.
2. welche Berücksichtigung der Zugang zu Internet bei Sanierungen oder Neubauten von stationären Einrichtungen der Altenhilfe beim Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration sowie dem Ministerium des Inneren, Digitalisierung und Kommunen, findet; Das Land selbst hat keinen Einfluss auf die Ausstattung von neu gebauten oder sanierten Einrichtungen in Bezug auf digitale Techniken.
Das Land fördert seit 2020 das Landeskompetenzzentrum Pflege & Digitalisierung (PflegeDigital@BW), das Pflegeeinrichtungen bei Umbau- oder Neubau-Projekten mit Digitalisierungsbezug unterstützt und begleitet. Das Kompetenzzentrum berät beispielsweise die stationären Pflegeeinrichtungen dabei, wie sie Hardwarelösungen bei Sanierungen und Neubauten umsetzen können.
Sofern im Innovationsprogramm Pflege des Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Integration Projektanträge, z. B. zur Tages- oder Kurzzeitpflege, auch die Digitalisierung zum Inhalt haben, können diese im Rahmen vorhandener Mittel gefördert werden. Die Digitalisierung ist nicht Förderschwerpunkt, kann hier aber ein wichtiges konzeptionelles Kriterium für die Förderung im Rahmen des Innovationsprogramms sein.
Bei Sanierungen oder Neubauten von stationären Pflegeeinrichtungen ist eine tiefgehende Analyse (Bau, Bedarf, Anforderungen) mit einem IT-Dienstleister vor Ort notwendig. Bauliche Voraussetzungen zur Digitalisierung, die bei Neu- oder Umbauten mitgedacht werden können, sind z. B. Räumlichkeiten für die IT mit entsprechender Ausstattung, was beispielsweise Zugangskontrolle und Klimatisierung betrifft oder die entsprechende Kabelverlegung von WLAN/LAN-Anbindungen.
Das Ministerium des Inneren, für Digitalisierung und Kommunen berichtet, dass seit 2016 3.505 Förderprojekte in Baden-Württemberg zum Ausbau von Glasfasernetzen unterstützt wurden, für die vom Land rund 2,52 Milliarden Euro und vom Bund weitere 2,80 Milliarden Euro, also zusammen rund 5,32 Milliarden Euro, zur Verfügung gestellt wurden (Stand: 01.10.2023). Der Zugang zum Internet bei Sanierungen oder Neubauten von stationären Einrichtungen der Altenhilfe liegt jedoch außerhalb des Zuständigkeitsbereichs des Ministeriums des Inneren, für Digitalisierung und Kommunen.
3. welche Möglichkeiten der Finanzierung es für private und freie Träger von stationären Einrichtungen der Altenhilfe für eine Digitalisierung gibt und wie mit den dadurch zu erwartenden Mehrkosten, beispielsweise durch gezielte Förderung, umgegangen wird;
Die Digitalisierung der Pflegeeinrichtungen im beruflichen Kontext wird grundsätzlich über die Pflegesätze finanziert. Die private Nutzung ist von den jeweiligen Bewohnerinnen und Bewohnern zu finanzieren.
Darüber hinaus kann jede ambulante und stationäre Pflegeeinrichtung einen einmaligen Zuschuss im Rahmen vorhandener Mittel aus den Mitteln des Ausgleichsfonds der Pflegeversicherung nach § 8 Absatz 8 SGB XI beanspruchen, um digitale Anwendungen zur Entlastung der Pflegekräfte zu implementieren. Durch das Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG) wurde das Förderprogramm nach § 8 Absatz 8 SGB XI für digitale und technische Anschaffungen in Pflegeeinrichtungen bis 2030 verlängert und erweitert. Die Anschaffungen können nun neben der Entlastung der Pflegekräfte auch zur Verbesserung der pflegerischen Versorgung der Pflegebedürftigen sowie zur Stärkung ihrer Beteiligung dienen, wenn beispielsweise Bewohnerinnen und Bewohnern einer stationären Pflegeeinrichtung der Zugang zu Internet- oder WLAN-Anschluss ermöglicht werden soll.
Die Refinanzierung der Anbindung an die Telematikinfrastruktur (TI) ist auf Bundesebene geregelt. Seit dem 1. Juli 2023 sollen Leistungserbringende zum Ausgleich der Kosten der Ausstattung und Betriebskosten der Telematikinfrastruktur eine monatliche Pauschale (TI-Pauschale) von den Krankenkassen nach § 387 Absatz 1 SGB V erhalten. Näheres zur Höhe und zu den der Berechnung zugrunde zu legenden Komponenten und Diensten sowie zur Abrechnung der TI-Pauschale sollten die Vertragspartner der Selbstverwaltung in den Bundesmantelverträgen vereinbaren (nach § 387 Absatz 2 SGB V). Die Finanzierungsvereinbarung für die Langzeitpflege ist noch in der Abstimmung.
Das Land fördert im Rahmen der Digitalisierungsstrategie im Bereich der Langzeitpflege aus den Rücklagen „digital@bw II“ und „Zukunftsland BW“ insgesamt 19 Projekte mit einem Finanzvolumen von insgesamt 4,5 Mio. Euro. In Betracht kommen Projekte aus den Bereichen „Empowerment“, „Neue Pflege“, „Pflege stärken“ und „Intelligente Beratung“. Ein neues Förderprogramm soll das Thema „Televisiten in Pflegeeinrichtungen“ im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel weitervorantreiben, vor allem die Sicht der Pflegeeinrichtungen berücksichtigen und den nächsten Schritt, Televisiten in die Regelversorgung zu übernehmen, vorbereiten.
4. welche Maßnahmen zur Unterstützung der Anbindung an die Telematikinfrastruktur in stationären Einrichtungen der Altenhilfe bestehen; Zur Unterstützung der Pflegeeinrichtungen bei der digitalen Transformation und Digitalisierung hat das Land im Jahr 2020 das Landeskompetenzzentrum Pflege & Digitalisierung (PflegeDigital@BW) ins Leben gerufen. Die Arbeit von PflegeDigital@BW ist aufgegliedert in vier Geschäftsfelder, welche in der Antwort zu Ziffer 6 genauer beschrieben werden. Zu den Aufgaben des Landeskompetenzzentrums gehört unter anderem die Beratung der Pflegeeinrichtungen zum Thema Telematikinfrastruktur (TI).
Um die Pflegeeinrichtungen in Baden-Württemberg darüber hinaus bestmöglich bei der Anbindung an die TI zu unterstützen, hat das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration in Kooperation mit dem Landeskompetenzzentrum Pflege & Digitalisierung eine von PflegeDigital@BW koordinierte Steuerungsgruppe gegründet. Hier sind unter anderem Pflegeverbände, Pflegekassen, die Kommunalverwaltung sowie die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg vertreten.
Ein zentrales Vorhaben der Steuerungsgruppe ist die Ausrichtung mehrerer TI-Regionalkonferenzen mit dem Ziel, Pflegeorganisationen im ganzen Landesgebiet zu erreichen und bei der Anbindung an die TI zu unterstützen. Diese Regionalveranstaltungen dienen dazu, die Pflegeeinrichtungen über die Telematikinfrastruktur zu informieren. Zugleich sollen sie auch die regionale Vernetzung mit weiteren Akteuren wie der Ärzteschaft, Apotheken und Krankenhäusern vorantreiben, denn die Kommunikation über die TI betrifft alle Akteure im Gesundheits- und Pflegebereich. Bisher haben Veranstaltungen in Ludwigsburg und Ravensburg stattgefunden. Es sind ca. zehn weitere Termine bis März 2024 geplant.
Darüber hinaus veranstaltet PflegeDigital@BW regelmäßig online stattfindende Informationsveranstaltungen zur TI sowie online stattfindende TI-Werkstattgespräche. Die Werkstattgespräche dienen dazu, mit anderen Praktikerinnen und Praktikern in einen Erfahrungsaustausch zum Thema TI zu kommen und gemeinsam zu diskutieren. Auch die zweimal jährlich stattfindenden Fachtage von PflegeDigital@BW haben vielfach die Anbindung, Kommunikation sowie die Mehrwerte der TI im Blick.
Des Weiteren bietet PflegeDigital@BW eine Informationsübersicht, den TI-Wegweiser an, welcher einen Überblick über die zahlreichen bereits bestehenden Informationsangebote zur TI gibt und die Akteure der Langzeitpflege bei der Einbindung in die Telematikinfrastruktur unterstützen soll. Der TI-Wegweiser soll als Orientierung dienen und wird ständig aktualisiert und weiterentwickelt. PflegeDigital@BW steht den Pflegeeinrichtungen als landesweite Anlauf- und Beratungsstelle auch bei individuellen Fragen zur TI beratend zur Verfügung.
Gerade für die kleinen Pflegeeinrichtungen ist die Unterstützung des Landes bei der Anbindung an die Telematikinfrastruktur essentiell. Diese Einrichtungen verfügen meist nicht über das erforderliche Wissen und die personellen Kapazitäten. Damit diese nicht den Anschluss an die aktuellen Entwicklungen verlieren, ist die Arbeit des Landeskompetenzzentrums hier von besonderer Bedeutung.
5. welche Schlussfolgerungen aus der Coronapandemie in Bezug auf die Teilhabe und die Verbindungsmöglichkeit mit anderen Menschen und Verwandten gezogen wurden und wie sich die Digitalisierung von Einrichtungen der o. g. Art auf die Krisenfestigkeit älterer Menschen auswirkt;
Aus der Rücklage „Zukunftsland BW – Stärker aus der Krise" werden für den Bereich der Langzeitpflege sieben Projekte finanziert, die dem Themengebiet „Empowerment - Digitale Unterstützung von Teilhabe und Selbstständigkeit von Menschen mit Pflege- und Unterstützungsbedarf“ zugeordnet werden können. Mehrere dieser Projekte haben sich dem ambulanten Bereich, also pflegebedürftigen Personen in der eigenen Häuslichkeit gewidmet. Die Projekte enden vornehmlich im Dezember 2023; daher sind noch keine abschließenden Bewertungen aus den Projektförderungen möglich.
Erste Ergebnisse zeigen allerdings Folgendes: Um Partizipation und soziale Teilhabe auch in pandemischen Zeiten und über größere Distanzen zu ermöglichen, ist Kontaktpflege über digitale Kommunikationsplattformen unerlässlich. Ein Beispiel hierfür ist die myo App, eine einfach zu bedienende App, die Einrichtungen in der Altenpflege mit Angehörigen und Dienstleistern datenschutzkonform vernetzt. Mitarbeitende, Bewohnerinnen und Bewohner und deren Familien werden unterstützt, indem die App in den Pflegeheimen die Arbeitsabläufe verbessern und Transparenz durch sichere Kommunikation erhöhen kann. Mit myo App können Familien am Alltag ihrer pflegebedürftigen An- und Zugehörigen datenschutzkonform teilhaben. Die App ermöglicht das Teilen von Bildern, Videos und Dokumenten sowie die Videotelefonie. Mit einem Klick können wichtige Informationen, wie z. B. Hygienevorschriften, mit Familien und Personal geteilt werden. Darüber hinaus förderte das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration das Projekt „HILVER - Die Hilfevermittlung“. Dies ist eine App, über die Seniorinnen und Senioren Unterstützung durch ehrenamtliche Helferinnen und Helfer beantragen können, beispielsweise für Gartenarbeit oder bei Arztbesuchen. Das Angebot gibt es bereits in acht Kommunen.
Somit kann sich Digitalisierung positiv auf die Krisenfestigkeit älterer Menschen in Pflegeeinrichtungen auswirken, u. a. durch die erleichterte Kommunikation oder ein digitales Gesundheitsmonitoring. Digitale Technologien ermöglichen es älteren Menschen, leichter mit Angehörigen in Kontakt zu bleiben, selbst wenn persönliche Besuche eingeschränkt sind. Videotelefonie kann der sozialen Isolation entgegenwirken. Digitale Methoden, wie z. B. die Telemedizin, können die medizinische Versorgung im Krankheitsfall ergänzen und das Notfallmanagement entlasten.
6. wie das Land darüber hinaus die stationären Einrichtungen in der digitalen Transformation unterstützen kann;
Das Land fördert im Rahmen der Digitalisierungsstrategie im Bereich der Langzeitpflege aus den Rücklagen „digital@bw II“ und „Zukunftsland BW“ insgesamt 19 Projekte mit einem Finanzierungsvolumen von insgesamt 4,5 Mio. Euro. In Betracht kommen Projekte aus den Bereichen „Empowerment“, „Neue Pflege“, „Pflege stärken“ und „Intelligente Beratung“. Ein neues Förderprogramm soll das Thema „Televisiten in Pflegeeinrichtungen“ im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel weitervorantreiben, vor allem die Sicht der Pflegeeinrichtungen berücksichtigen und den nächsten Schritt vorbereiten, Televisiten in die Regelversorgung zu übernehmen.
In der AG Digitalisierung in der Langzeitpflege kommen alle Akteure auf Landesebene zusammen, die die Digitalisierung der Langzeitpflege im Land voranbringen können. Vertreten sind Pflegeverbände, einzelne Pflegeeinrichtungen, Pflegekassen, Wissenschaft, Hausärzteverband, Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW), Landesseniorenrat, Berufsverbände der Pflege, Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg (KVJS), Sozialverband VdK Deutschland e. V. (VdK), Pflegeschulen und Wirtschaftsverbände. In der AG werden Themen wie Anbindung an die Telematikinfrastruktur, Schulungskonzepte zu digitalen Kompetenzen und Televisiten diskutiert und bearbeitet. Die AG dient der Vernetzung und dem Austausch. Es werden aber auch Problemanzeigen oder Umsetzungsschwierigkeiten diskutiert und Lösungsansätzen zugeführt.
Für die Langzeitpflege hat das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration im Jahr 2020 PflegeDigital@BW etabliert, um Pflegeeinrichtungen bei der Digitalisierung und der digitalen Transformation zu unterstützen. Die Arbeit von PflegeDigital@BW ist aufgegliedert in folgende vier Geschäftsfelder:
1. Innovationsinfrastruktur (INNO): PflegeDigital@BW stellt eigene Demonstrations- und Testumgebungen (Innovationsinfrastrukturen) rund um das LebensPhasenHaus in Tübingen bereit. Ein Beispiel dafür ist der geplante Campus PflegeDigital (urspr. Arbeitstitel „Lehrpflegeheim“), welcher in den nächsten Jahren realisiert werden soll. Dieser soll eine eigene und realitätsgetreue Demonstrations- und Testumgebung für die Langzeitpflege werden. Gerade für Entscheidende in Pflegeeinrichtungen sowie für Auszubildende und Studierende wird diese Einrichtung eine hohe Relevanz haben. PflegeDigital@BW vernetzt darüber hinaus die bestehenden „Care- und SkillLabs“, Demonstrationshäuser und Zukunftslabore des Landes. Beim Aufbau eigener Innovationsinfrastrukturen oder bei Umbau- oder Neubau-Projekten mit Digitalisierungsbezug ist PflegeDigital@BW unterstützend tätig. Ziel ist es, aus technischen Neuerungen echte, praxisorientierte Innovationen erwachsen zu lassen.
2. Aus-, Fort- und Weiterbildung (EDU): Von PflegeDigital@BW werden Schulungs- und Bildungsangebote konzipiert und durchgeführt, die sich sowohl an Pflegebedürftige als auch an formell und informell Pflegende sowie weitere relevante Akteure der Langzeitpflege richten. Ziel ist es dabei u. a., digitale Kompetenzen zu vermitteln, um die Beteiligten zu befähigen und in die Lage zu versetzen, soziale und technische Innovationen in den Versorgungsalltag zu integrieren, aber auch um die soziale Teilhabe zu ermöglichen und zu fördern.
3. Beratung (CON): Ein wesentliches Ziel von PflegeDigital@BW liegt im Empowerment - sowohl der Pflegekräfte als auch der zu Pflegenden - sowie der Stärkung der Innovationsfähigkeit all jener Organisationen, die in Baden-Württemberg im Bereich der Langzeitpflege aktiv sind. Die Nutzung neuer Technologien und dienender Technik schafft einerseits neue Möglichkeiten der Intervention und Betreuung von Pflegebedürftigen, verändert aber andererseits mitunter massiv die Arbeitsprozesse. Das macht die digitale Transformation in vielen Organisationen zu einer recht komplexen Aufgabe, die nur bedingt mit fertigen Musterlösungen gestaltet werden kann und bei der Beratung gefragt ist. Beratungsangebote gehen von der Kompetenzentwicklung über die Projekt- bis zur Organisationsentwicklung.
4. Netzwerken (NET): PflegeDigital@BW versteht sich als Multiplikator, der die Vernetzung der Akteure fördert, um digitale Erfolgsrezepte effizient in die Fläche zu tragen. Es geht um die sinnvolle Verzahnung von technischer, digitaler Assistenz und menschlicher Zuwendung. So kann eine weitere Digitalisierung der Pflege unter anderem dabei helfen, reale zwischenmenschliche Begegnung dadurch zu fördern, dass bisher zeitintensive Vorgänge - beispielsweise in der Arbeitsorganisation, Dokumentation und Abrechnung - vereinfacht und neue Möglichkeiten der persönlichen Begleitung gefördert werden, statt diese zu ersetzen. PflegeDigital@BW unterstützt auch landesweit beim Wissenstransfer zwischen den Akteuren der Pflege.
Übergreifend können durch das aktuell entstehende Transfermobil die Mehrwerte der Digitalisierung durch das eigene Erleben von Best Practice Anwendungen aufgezeigt werden. Das Transfermobil soll den Pflegeeinrichtungen ein individuelles und möglichst passgenaues Angebot zu verschiedenen Digitalisierungsthemen bieten. Das Team von PflegeDigital@BW stellt im direkten Kontakt zu den Einrichtungen und Pflegekräften ein individuelles Angebot von digitalen Anwendungen zusammen und stellt es in den Kommunen bzw. in den Einrichtungen vor. Das Transfermobil ist dann vor Ort in den Pflegeeinrichtungen im Einsatz. Beispielsweise wurden bereits Exoskelette und VR-Brillen angeschafft. Das Angebot des Transfermobils kann aber auch den Bereich des betrieblichen Gesundheitsmanagements und der Selbstfürsorge oder auch die Aktivierung der Pflegebedürftigen abdecken. Erste Testungen der Module mit Pflegekräften und Pflegeschulen haben stattgefunden.
7. welche Voraussetzungen nötig sind, um bei der digitalen Transformation in Einrichtungen das Personal mitzunehmen;
Professionelle Akteure im Gesundheitswesen und der Pflege stehen im Zusammenhang mit der Handhabung von digitalen Technologien vor neuen Herausforderungen, beispielsweise in Bezug auf die Information, Schulung und Beratung von Nutzerinnen und Nutzern zum Einsatz von neuen Technologien, aber auch beim Umgang mit digitalen Tools im beruflichen Alltag. Die Neugestaltung der beruflichen Tätigkeit unter Nutzung digitaler Tools und die Mitgestaltung des digitalen Wandels erfordern somit erweiterte Kompetenzen, die oft nicht oder nur zum Teil Gegenstand von Aus- und Weiterbildungen sind. Daher sind neue Schulungskonzepte, die sich dieses Themas annehmen, notwendig. PflegeDigital@BW bietet hierfür die „Zusatzqualifizierung Pflege Digital“ an. Ziel dieses Fortbildungsangebots ist die Förderung der individuellen Kompetenzen zu den Themen Digitalisierung und reflektierter Einsatz neuer Technologien.
Die Zusatzqualifizierung Pflege Digital ist ein Angebot für Pflegefachpersonen in der ambulanten und stationären Langzeitversorgung. Angesprochen sind Personen, die ihre fachlichen und pädagogischen Kompetenzen erweitern möchten. Sie sollen in ihren Einrichtungen Mitarbeitende aller Berufsgruppen in der Techniknutzung, der Einführung neuer Anwendungen und in der Beratung von Klientinnen und Klienten zu Fragen der technikgestützten Versorgung befähigen und unterstützen. Durch Schulungen und den aktiven Einbezug ist es möglich, das Personal bei der digitalen Transformation in den Einrichtungen „mitzunehmen“. In einem nächsten Schritt sollen Schulungsmodule von PflegeDigital@BW schon bei der Ausbildung von Pflegekräften in den Pflegeschulen berücksichtigt werden. Dies wird zur digitalen Transformation der Einrichtungen und der Akzeptanz der Mitarbeitenden beitragen. Zusätzlich wird derzeit vom Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration eine Erhebung zum Bedarf an digitalen Grundlagenkenntnissen bei Pflegekräften und Führungskräften in Pflegeinrichtungen durchgeführt.
Mit „Digitalen Basics“ sind beispielsweise der datenschutzkonforme Umgang mit Daten von Klientinnen und Klienten oder der Umgang mit einem Softwareupdate gemeint. Mit dieser Umfrage soll der Bedarf an „Digitalen Basics“ in der Pflegelandschaft in Baden-Württemberg abgefragt werden, um auf Grundlage dieser Abfrage ein passgenaues Schulungsangebot mit anderen Anbietern, wie beispielsweise Volkshochschulen, planen zu können. Darüber hinaus ist es wichtig, zu verstehen, dass Digitalisierung auch Veränderung bedeutet. Die Implementierung effektiver Change-Management-Strategien ist sinnvoll, um Unsicherheiten im Zusammenhang mit Veränderungen zu minimieren. Beispielsweise kann eine strukturierte Prozessbegleitung, das Einarbeiten von Rückmeldungen des Personals sowie die Schaffung einer positiven Unternehmenskultur unterstützen.
Die digitale Transformation von Pflegeeinrichtungen erfordert eine ganzheitliche Herangehensweise, bei der die Bedürfnisse und Perspektiven des Personals berücksichtigt werden, um eine erfolgreiche Integration digitaler Technologien zu gewährleisten. Um Pflegeeinrichtungen auch in diesem Bereich zu unterstützen, trägt der nächste Fachtag von PflegeDigital@BW den Titel „Change - Veränderungsprozesse in der Langzeitpflege erfolgreich gestalten“. Hier können sich Teilnehmende vertieft mit Veränderungsprozessen im Kontext der digitalen Transformation in der Langzeitpflege auseinandersetzen.
8. was Baden-Württemberg unternimmt, um auch bundesweit die Digitalisierung in der Langzeitpflege voranzutreiben.
Baden-Württemberg hat die Federführung der länderoffenen Arbeitsgruppe Weiterentwicklung der Digitalisierung in der Langzeitpflege inne und steht im ständigen Austausch mit den entsprechenden Akteuren auf Bundesebene, z. B. mit der gematik (Nationale Agentur für Digitale Medizin), dem Bundesministerium für Gesundheit sowie dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen.
Es findet ein regelmäßiger Austausch mit den Ländern und dem Bund in Bezug auf aktuelle Entwicklungen statt. Beispielsweise hat sich die AG erfolgreich für die Anbindung aller Pflegeeinrichtungen an die Telematikinfrastruktur eingesetzt. Diese Bemühungen wurden im Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG) umgesetzt. Die Anpassung der Finanzierung der Implementierung und des Betriebs der TI-Infrastruktur wird in der AG ebenfalls thematisiert. Die AG beschäftigt sich auch mit einer medienbruchfreien Abrechnung von Pflegeleistungen gegenüber den Pflegekassen. Durch diese Initiative wurde erreicht, dass dieser Missstand auf Bundesebene überhaupt sichtbar wurde.
Derzeit wird in diesem Bereich an einer Lösung gearbeitet. Zukunftsweisend beschäftigt sich die AG weiter mit Televisiten in Pflegeeinrichtungen. Hier gibt es sehr große Potentiale für die Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung von pflegebedürftigen Menschen und gleichzeitig ein großes Einsparpotential, da die realistische Perspektive besteht, die Zahl der unnötigen Krankenhauseinweisungen zu senken. Durch die Vernetzung der Landeskompetenzzentren (sofern vorhanden) werden darüber hinaus Synergieeffekte erzielt. Außerdem wird die AG die Einrichtung des im PUEG verankerten Bundeskompetenzzentrums Digitalisierung und Pflege beim Spitzenverband Bund der Krankenkassen begleiten.
Das bundesweite Kompetenzzentrum soll die Potentiale zur Verbesserung und Stärkung der pflegerischen Versorgung sowohl für die Betroffenen als auch die Pflegenden identifizieren und verbreiten. Eine Zusammenarbeit mit den Landeskompetenzzentren ist angedacht. Über die länderoffene Arbeitsgruppe hat sich auch eine weitreichende Zusammenarbeit mit der gematik ergeben. Diese nimmt die die Rückmeldungen der Langzeitpflege gerne an.
In der AG Digitalisierung auf Landesebene kommen alle Akteure zusammen, die die Digitalisierung der Langzeitpflege im Land voranbringen können. Vertreten sind Pflegeverbände, einzelne Pflegeeinrichtungen, Pflegekassen, Wissenschaft, Hausärzteverband, KVBW, Landesseniorenrat, Berufsverbände der Pflege, KVJS, VdK, das Ministerium des Inneren, für Digitalisierung und Kommunen, Pflegeschulen und Wirtschaftsverbände. Auch hier werden die oben genannten Themen wie Anbindung an die Telematikinfrastruktur, Schulungskonzepte zu digitalen Kompetenzen und Televisiten bearbeitet. Außerdem findet ein Transfer der in der länderoffenen Arbeitsgruppe Weiterentwicklung der Digitalisierung in der Langzeitpflege diskutierten Themen in die AG Digitalisierung auf Landesebene statt und umgekehrt.
Mit freundlichen Grüßen gez. Manfred Lucha MdL
Minister für Soziales, Gesundheit und Integration